• Anneau du Rhin '08
 
wissenswertes über bremsen

Obwohl das Bremssystem des ITRs bereits ein wohldimensioniertes Paradestück ist, stellt sich dem Sportfahrer die Frage nach Verbesserungen. Letztendlich kommt das Fahrzeug ab Werk mit Komponenten, welche in erster Linie für den Strassengebrauch geeignet sind.

Betrachten wir uns die Komponente der Bremsbeläge mal ein wenig genauer und stossen bereits auf das erste Problem:

Es gibt ihn nicht - den idealen Allround-Bremsklotz. Das Reibungsmaterial, das bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen im Stadtverkehr ordentlich und leise funktioniert, wird das scharf gefahrene Fahrzeug nicht zum Stehen bringen. Wenn Ihr versuchen solltet mehrere Autos mit Erstausrüsterbelägen schärfer zu fahren wird es zu Fading, Belagabnutzung und siedender Flüssigkeit kommen. Der echte Rennbremsklotz wird unter normalen Bedingungen starke Geräusche machen und bei niedrigen Temperaturen nicht gut funktionieren.
Idealerweise sollten wir unsere Bremsklötze wechseln bevor wir uns in waghalsige Fahrmanöver stürzen, um zu vermeiden dass wir uns mit kreischenden Bremsen (die das Auto nicht wirklich verlangsamen) herumärgern müssen oder aber dass wir auf der Rennstrecke mit Fading zu kämpfen haben. Diesen Wechsel macht aber niemand. Die Frage bleibt: welche Beläge sollten in Hochleistungs-Strassenfahrzeugen verwendet werden? Niedertemperatur-Strassenklötze oder Hochtemperatur-Rennbremsklötze?

Diese Frage muss jeder mit sich selbst ausmachen. Es ist kein Zufall dass Rennbremsbeläge keine Strassenzulassung haben. Für den typischen Freizeit-Rennstreckenbesucher empfehle ich jedoch Ferodo 2500. Er scheint mir geeignet beide Aufgaben leidlich gut zu erfüllen. Zumindest tut er das für mich. Meinungen gibt es viele; und diese hier ist meine.

Wer seinen ITR auf Serienkomponenten schon einmal scharf gefahren hat, hat sich vielleicht schon einmal über verzogene Bremsscheiben mokiert. "Verzogene Bremsscheiben" - Ein oft gewählter Begriff, der jedoch nicht zutreffend ist in 99% aller Fälle. Verwunderlich, da selbst Rennfahrer und geschultes Personal diese Diagnose stellen. Die Wahrheit sieht jedoch anders aus:

Vorausgesetzt dass die Radflansche eben sind und sich in gutem Zustand befinden und dass sich ferner die Radschrauben oder sonstigen Befestigungsteile ebenfalls in gutem Zustand befinden und auf korrekte Art mit der richtigen Reihenfolge und dem vorgeschriebenen Drehmoment angezogen sind, entpuppt sich die Diagnose "verzogene Bremsscheibe" meist so dass das Material der Beläge ungleichmässig auf der Reibfläche verteilt war - seltener sichtbar als unsichtbar. Diese ungleichmässige Ablagerung hat Unebenheiten oder Beschädigungen wegen örtlicher Überhitzung zur Folge. Auf der Bremsscheibe wird jede ungleichmässige Ablagerung, die aus der Oberfläche heraus steht, wärmer als das Metall dass sie umgibt.
Jedes Mal wenn die vordere Kante der Ablagerung am Klotz vorbeischleift und ihn berührt steigt die Temperatur an dieser Stelle. Zwischen 650 und 700°C wandelt sich dann das Gusseisen unter dieser Ablagerung in Zementhit (ein Eisen-Karbid bei dem drei Eisen-Atome mit einem Kohlenstoff-Atom verbunden sind) um. Zementhit an sich ist sehr hart und abrasiv aber auch ein schlechter Wärmeleiter. Bei sehr starker Beanspruchung wird sich dieser Prozess immer weiter selbst unterstützen: die Menge und Tiefe des Zementhit wird immer grösser je höher die Temperatur wird und somit wird auch die Bremse immer "holpriger". Wie lässt sich das vermeiden ? Eigentlich nur mit korrekter Montage und dem richtigen Einbrems-Ritual.

Mit Rücksicht auf die Klötze müssen die bindenden Harze relativ langsam abgebrannt werden, um Fading und ungleiche Ablagerungen zu vermeiden. Das erreicht man mit mehreren, immer stärker werdenden, Bremsungen mit jeweils einer kurzen Abkühldauer dazwischen. Nach der letzten Bremsung sollte man die Bremsanlage auf Umgebungstemperatur abkühlen lassen. Eine Serie von zehn zunehmend scharfen Bremsungen von 100 auf 10 km/h mit normaler Beschleunigung dazwischen sollte für einen typischen Hochleistungs-Strassenbremsklotz geeignet sein. Man sollte während des Einbremsvorgangs das Fahrzeug nicht ganz anhalten, also überlege man sich eine Stelle die für die eigene Sicherheit und die von anderen geeignet ist. Sollte man doch anhalten müssen, bevor das Einbremsen abgeschlossen ist, war alles umsonst.
Für einen typischen Rennbelag wären eher vier Bremsungen von 150 auf 10 km/h geeignet und zwei von 170 auf 10 km/h (abhängig vom Belag) um das Material auf die optimale Betriebstemperatur zu bringen. Somit kann das Material für die höhere Temperatur seine Schicht gänzlich und gleichmässig auf der Oberfläche der Scheibe aufbauen.

Bitte nach einer harten Bremsung NIEMALS auf dem Pedal stehenbleiben! Es hinterlässt sichtbare Abdrücke von Material auf dem Gusseisen der Bremsscheiben. Entgegen der landläufigen Meinung, Rennbremsscheiben wären aus Stahl, soll hier erwähnt werden dass man aus vielerlei Gründen Gusseisen verwendet. Es bleibt unter Hitze wesentlich stabiler in seinen gegossenen Dimensionen.

Bleibt noch die Frage nach der Bremsflüssigkeit. Wenn sie einmal den Siedepunkt überschritten hat, hat sie einen grossen Teil ihrer Fähigkeit, Hitze zu ertragen, eingebüsst. Sie muss erneuert werden (sowieso jedes Jahr). Aber jetzt aufgepasst, DOT3 und DOT4 Flüssigkeit nimmt Wasserdampf auf. Bereits 3% Wasseranteil senkt den Siedepunkt um über 70°. DOT5 hingegen ist Silikon basierend. Sie nimmt kein Wasser auf, jedoch schäumt sie unter hochfrequenten Schwingungen auf, was ein weiches Pedal zu Folge hat. Das ist nicht akzeptabel unter Rennstreckenbedingungen. Also mein Tip: DOT4 verwenden und öfter mal wechseln.


mit freundlicher Genehmigung von Sven P. @ www.integratype-r.de
 
 
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